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Interpretation von Sterlings Schismatrix

Posted in buchinterpretationen on Juni 27th, 2019

Bruce Sterling/ Sterling auf Wiki/ Schismatrix, c Argument Verlag 2000/ Titel der amerikanischen Originalausgabe: Schismatrix/ Deutsch von Hannes Riffel/ softfax 381

Der Mond ist nicht genug

Die Welt ist nicht genug, ist der Titel eines James Bond Films. Der Bösewicht in einer Hand ohne Gespür für Schmerzen. Das Empfinden für jegliche Gefühle könnte durch chemische Substanzen oder kybernetische Technik verändert worden sein. Das Werk eines Gestalters oder eines Mechs nach der Definition in Bruce Sterlings Werk Schismatrix aus dem Jahr 1985. Die tonangebenden Klassen in einer entarteten Gesellschaft.

Die Geschichte so spannungslos wie interessant. Interessant in ideologischen Fiktionen. Fade und langweilig was die Handlung betrifft. Zu vergleichen mit den Plots von William Gibson. Beide Meister in der Schichtung kultmässiger Szenen.-

Bruce Sterling beschreibt die Auseinandersetzung zweier Gesellschaftsklassen fern der Erde in weiter Zukunft. Die alte Scholle? Es gibt sie noch, und sie ist auch noch hie und da bewohnt. Der Zugang jedoch für die in den Weltraum enteilten ist untersagt. Im Sonnensystem verteilt lebt die Menschheit in zwei ideologischen Hauptgruppen, den Gestaltern und den Mechs. Die ersteren setzen auf Gentechnologie und Gehirnmanipulation, die letzteren auf Kybernetik und Prothesen. Alles um in ferner Zukunft ein Leben für ein paar Jahrzehnte mehr zu haben.

Die Geschichte beginnt auf einem Mondorbital. Abelard Lindsay ist ein aristokratischer Gestalter, der eine Ausbildung zum Diplomaten durchgemacht hat. Dies gilt ebenfalls für seinen Jugendfreund Constantine. Die beiden sind Subversive, solche die gegen die herrschenden Klassen rebellieren. Jedoch mit verschiedenen Absichten, wie sich bald zeigen wird. Die Freundschaft verwandelt sich bald in Feindschaft und Abelard muss fliehen. Constantine strebt ein totalitäres Regime an, während Abelard das Leben liebt.

Die Flucht führt Lindsays durch das bekannte Sonnensystem. Vom Orbital des Mondes zu einem andern. Von der Union der Mondrepubliken – mit der Heimat beraubten Piraten – zu einem Planetoiden. Es ist ein Vorposten der Gestalter, in dem zu einem Kartell zusammengefassten Planetenverbund der Mechs. Als gelernter Diplomat, und als Gestalter mit besonderen geistigen Fähigkeiten ausgerüstet, erarbeitet sich Lindsay überall besondere Stellungen. Aussenminister, Kulturbeauftragter und eben Diplomat.

Dann tauchen Fremdlinge auf, Investoren genannt, Ausserirdische. Ihr Einfluss beschert der Zivilisation im Weltraum einen Scheinfrieden, Schismatrix genannt. Ein erzwungener Friede zwischen den Klassen der Gestalter und der Mechs im Angesicht der Investoren. Als dieser bröckelt, flieht Lindsay aus seiner angestammten Position. Und immer noch ist da Constantine, der ihn beseitigen will. Lindsay hält jedoch an seinen Absichten fest. Er sucht nach einer Form des Lebens.  Er sucht nach ursprünglichem Leben. Mehrfach durch Gentechnologie verjüngt, geht es doch langsam seinem Ende als Mensch zu. Abelard Lindsay findet jedoch eine Lösung und ermöglicht einem Kreis von Vertrauten neues Leben. Lindsay selber entscheidet sich für einen anderen Weg. Ein Weg, der ihm schon das ganze Leben auf den Leib gezeichnet war.

Schismatrix ist nun nicht ganz so spannungslos, wie man nun annehmen würde. Sterling beschreibt auch Kampfszenen. Dann, wenn die Piraten im Auftrag der Mechs gegen die Gestalter vorgehen. Ansonsten bezieht die Handlung Spannung aus den gegensätzlichen Ansichten der Menschen die aufeinanderprallen. Der menschenfreundliche Lindsay, der sich gegen den faschistischen Jugendfreund durchsetzen muss. Das Ringen um die erfolgreiche Verjüngung des Lebens durch Gentechnik oder Kybernetik. Die Investoren als übermächtiger Gegenpart zur Zivilisation der Menschen im Sonnensystem. Die jeweilige Flucht Lindsays, wenn sich die politischen Umstände ändern.

So ist Schismatrix ein Roman der aus einer intellektuellen Sicht gelesen werden muss. Es ist nicht eine abenteuerschwere Erzählung, die in Tiefen und Höhen reisst. Die Zeilen laden ein, an einem Setting teilzunehmen. In die Runde von Gesprächsteilnehmern zu sitzen. Zu lauschen, zu fühlen und zu verstehen, wieso die Welt so schwierig ist. Gedankenschwere statt Handlungsakrobatik. Keine Empfehlung für eine leichte Freizeitlektüre. Nach dem Beschrieb auf dem Buchrücken ein Social Fantasy Roman. Ein Roman, dessen dicke Suppe mit emotionalen Brocken versehen ist. Jeder Happen die Begegnung mit einem geistlichen Schwergewicht. Eine Sitcom für eine Spezialeinheit. Thema der Gespräche die Lösung von komplexen Zukunftsfragen. Keine niederschwelligen Alltagssorgen. Das Ende der Geschichte hängt wieder in einem Netz von ungelösten Fragen. Die Welt, der Mond, die Technik; dies alles ist niemals genug. Es braucht ursprüngliches biologisches Leben. Für Lindsay bedeutet es den Schritt auf eine neue Ebene, die er durch die Investoren findet.

psychodoc für das team fantaster

m.peakes der junge titus, gormenghast bd 1 im interpretationsmodus

Posted in buchinterpretationen on April 30th, 2018

Mervyn Peake/ Peake auf Wiki/ Gormenghast Bd 1 der junge Titus/ c 1982 Hobbit Presse, Klett-Cotta, Neuauflage der durchgesehen Ausgabe 2010/ c 1946 by Mervyn Peake/ aus dem Englischen von Annette Charpentier/ Folgebände Bd 2-4/ keine Anhänge/ hardfax S.616

Kollateraler Inhouse Schaden

Mervyn Peake wäre heute 107 Jahre alt. Würde er noch leben könnte er sich einst in die Liste von Menschen mit biblischem Alter einreihen. Was er aber an Alter nicht erreichte, hat Mervyn Peake durch das Schreiben erlangt. Er wurde, Zitat Wikipedia, „bei  einem kleinen Publikum zum Kultautor“. Erreicht hat er dies durch eine im Deutschen Vertrieb vierteilige Romanreihe. Eine Romanreihe, die ein altehrwürdiges aber auch geheimnisvolles Schloss als Mittelpunkt hat. Ein Schloss, dessen Name allein den Leser zum Bibern bringt: Gormenghast! Für dies Werk erhielt er 1951 den Heinemann Preis für Literatur.

Der erste Band von Peake`s Gormenghast  hat den einfachen Namen, „der junge Titus“. Die Geschichte startet, indem der Diener des 76. Grafen die Geburt des Erben verkündet. Somit ist die Erbfolge für das ehrwürdige Geschlecht der Groans gesichert und Gräfin und Graf können aufatmen. Aber aufgepasst, ihr wuchtigen Mauern, weiten Gänge und düsteren Hallen. Denn die an sich frohe Botschaft wird in der Herrscherfamilie und der Dienerschaft, wie sollte es anderst sein, verschieden aufgenommen. Nicht das Titus, der kleine Thronfolger, in Gefahr wäre. Er wächst sicher in den Armen seiner alten Nannie und der Amme, die ihn nährt, heran.

Beinahe ungesehen und unbemerkt zieht jedoch eine düstere Front von Taten und Absichten heran. Die Schlossgemeinschaft, deren Sein von alteingesessenen Ritualen bestimmt wird, deren Tagesablauf von verstaubten Hierarchien geprägt ist, ist reif für eine Veränderung. Zu lang haben Graf und Gräfin nicht aktiv regiert. Hat der Graf sich in Melancholie verloren, hat die Gräfin nur ihren Katzen und Vögeln gehuldigt, hat die Dienerschaft für die Befolgung der Rituale gearbeitet. So kommt es wie es in solch verrotteten, nur durch traditionelle Handlungen bestimmten Leben immer kommen muss. Titus fällt bei der Zeremonie der Taufe aus dem Gesetzbuch, in das man ihn der Regel entsprechend legen musste. Die Finger von Sourdust, dem Archivar, sind eingerostet, lassen den Erben entgleiten. Im Fallen greift sich Titus eine Seite, die er erfolgreich aus dem Buch entfernt. Es wird dies die erste blasphemische Handlung seiner kleinen Lordschaft.

Derweil braut sich der Sturm über Gormenghast zusammen. Steerpike, der ehemalige Küchenjunge rückt zum Diener des Hofarztes auf und zettelt eine Verschwörung an. Feindschaft entsteht zwischen dem ersten Diener des Grafen und dem Küchenchef. Der Archivar stirbt bei einem Brand in der Bibliothek des Grafen. Der Graf kann seine Melancholie nicht stoppen und verfällt dem Wahnsinn. Das Schloss, die Hallen, die Gänge, Innenhöfe und Türme strotzen dabei vor unvergänglicher Düsternis. Es verschlingt die Schritte seiner Bewohner und bleibt bestehen. Es verschlingt aber auch das Gedeihen von Titus, dem werdenden 77. Grafen Groan.

In den ersten hundert Seiten wird genannt, er sei hässlich und habe violette Augen. Dann wird er immer wieder mal zu einer rituellen Handlung gezerrt. Um am Schluss des ersten Bandes tritt dann Titus wieder in Erscheinung. Weil Graf Groan der 76. verschwunden ist, wird Titus noch vor seinem zweiten Geburtstag inthronisiert. Das Ritual findet bei strömenden Regen draussen vor dem Schloss auf dem See statt. Und wieder hat der kleine Thronerbe etwas dagegen, dass man ihn in ein Schema pressen will. Während der frisch eingesetzte Archivar die rituellen Worte spricht, wirft Titus kurzerhand die „sakrosanten Symbole“, die man ihm in die Hand gedrückt hat, in den See. Das sind in Etwa die einzigen Handlungen des jungen Titus.

Der erste Band endet und man hat nicht den Eindruck, dass durch die Eröffnung der Geschichte eine geballte Handlung dahergekommen wäre. Der Plot gleicht eher den Beziehungspossen einer Sitcom. Satz um Satz, Absatz auf Absatz und Seite um Seite führt uns Peak in das ziemlich aktionslose Geschehen auf Gormenghast ein. Hauptakteur dabei ist nicht eine abenteuerliche Handlung, wie sonst in der Fantasy üblich. Nicht durch Titus, und auch nicht durch die Schlossbewohner. Hauptakteur ist das Schloss, seine Hallen, die damit verwobenen Rituale, und der Status den dieses Leben den Menschen abfordert. Daran ändert auch eine waghalsige Flucht über die Dächerwelt Gormenghasts nichts. Oder dass sich Fuchsia, die Grafentochter im angrenzenden Wald mal den Fuss vertritt. Oder wenn Steerpike seine rücksichtslosen Pläne umsetzt. Die Beschreibung der Gegend, der Wald, der See, der Berg, die Öde und das Schloss. Alles beugt sich der Hauptfigur. Dem mit Düsternis belegten Geschehen innerhalb der Mauern Gormenghasts.

Die Schreibkünste des Autors gleichen lyrischen Abschweifungen, denen manchmal schwer zu folgen ist. Sie lassen eine aktionsreichere Handlung in intellektuellem Nebel verschwinden. Man kann die Hallen, Plätze und Höfe als die sieben Königslande Gormenghasts bezeichnen. Während aber in Game Of Thrones ganze Kontinente als Handlungsplatz dienen, ist es in „der junge Titus“ ein Schloss. Zugegeben ein gewaltiges Schloss. Und man lasse sich nun durch die Kritik an der Handlung nicht irritieren. Es ist durchaus eine nicht zu unterschätzende literarische Leistung. Zwei Jahren Erdenleben des Thronerben 616 Seiten abzuwringen. Es sind aber nicht halsbrecherische Taten, die den Leser atemlos über die Zeilen treiben. Es sind die Geschichten, die Peake neben einer verwahrlosten Regierung aufbaut. Der düstere Gehalt der Schicksale auf Gormenghast. Das Dasein für Rituale, das alle Beteiligten in ein zwanghaftes Tun quetscht und aus ihnen Retro-Zombies macht.

Nun, wie es im Song der einstigen englischen Soulsängerin und Stilikone Dusty Springfield heisst: „Der einzige der mich berühren konnte, war der Sohn eines Pfarrers“. Peak war  Missionarssohn. Sein Vater war als Doktor für die Congregationalisten in China tätig. Das mag erklären, wie Peak geprägt war. Schwarz-weiss, gut-böse, recht-unrecht, Licht und Düsternis. Straffe Erziehung liess ihn vorankommen. Der Vater war meist nicht zu Hause, hatte zu arbeiten, den Dienst auszufüllen. Da war das Kindermädchen, vielleicht seine Mutter. Dies hat ihn  sicher sensibel für soziale Ungerechtigkeit gemacht. Und gab ihm den Drang auszubrechen, frei von Bindungen zu sein. So ist sein Werk zu verstehen. Als Abrechnung mit einem alten System. Eine Abrechnung mit der Unterwerfung seiner Kindheit unter den Dienst des Vaters. Mittendrin etwas Neues, Frisches, Unverbrauchtes- das Leben des jungen Titus. Eine Idee, ein Neuanfang, etwas Ungebundenes. Die Loslösung von alten Ritualen. Wenn es sein muss durch Gewalt. Die Bankrotterklärung eines Systems. Ein Schuss Anarchie an das Bein verkrusteter Traditionen. Versetzt in eine geheimnisvolle Welt dunkler Gänge, Hallen und Höfe eines geheimnisvollen Schlosses.

Die Empfehlung lautet darum, um es mit Tad Williams zu sagen, pass auf wenn du die Welt betrittst. Sie wird dich verändern. Aber nicht durch die gefahrenvolle, mühsame Reise. Sondern durch den wortreich in Szene gesetzten Sturm auf hergebrachte Zeremonien, Rituale und Traditionen. Ein Lesevergnügen der intellektuellen Art. Nicht für zwischendurch, aber zwischendurch auch wieder mal passend.

jh

Athsheaner

Posted in buchinterpretationen on Mai 7th, 2012

Ursula K. le Guin/ K.le Guin auf Wiki/ das Wort für Welt ist Wald/ Edition Wolfgang Jeschke/ Heyne Verlag c 1975/ Titel der amerikanischen Originalausgabe: the word for world is forest c 1972/Umschlagzeichnung von C.A.M.Thole/ deutsche Übersetzung Gisela Stege/ softfax deutsche Erstveröffentlichung S.125

27 Lichtjahre von der Erde entfernt befand sich der Planet New Tahiti. Die Menschen hatten ihn für sich entdeckt. Es gab mehrere bewohnte Planeten, die sich in der unendlichen Weite des Alls  befanden. Die Humaner hatten Planet 41, wie sie ihn auch nennen, wegen seinen Waldreserven in Beschlag genommen. Die Erde war zu diesem Zeitpunkt beinahe den Tieren und der Natur beraubt. Holzlieferungen von Planet 41 wurden regelmässig nach der Erde geschickt.

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