eine interpretation: der posten von d.glukhovsky
Dmitry Glukhovsky/ Glukhovsky auf wiki/ Outpost, Der Posten, Heyne Verlag 2021/ Aus dem Russischen von Jennie Seitz und Marja Rajer/ hardfax S.413
Serienmönch der Postapokalypse
Einleitung Jedes Land hat einen oder mehrere Autoren, deren Bücher tief in die heimische Volkseele blicken lassen. In der Schweiz ist es zum Beispiel Jeremias Gotthelf, in Deutschland gehört Karl May dazu, in Amerika sicher Stephen King und William Gibson.
Russland hat neben Dostojewski Dmitry Glukhovsky. Mit „Der Posten“ aus dem Jahr 2021 kehrt der Autor und Journalist auf die Postapokalyptische Strasse zurück. Und lässt tief in die russische Volksseele blicken.
Handlung Jaroslawl an der Wolga ist im Ausnahmezustand. Es ist eine Ortschaft mit einem Posten, einem Wachtposten. Die Mannschaft bewacht die letzte verbliebene Brücke über die Wolga. Russland nach einem verheerenden Krieg. Aus dem Fluss steigen giftige Dämpfe, und was hinter der Wolga ist, wissen die Leute nicht.
Es herrscht eine Art postapokalyptischer Frieden. Dann taucht eine mysteriöse Person aus dem Nebel über der Brücke. Die Menschen suchen Antwort. Moskau schweigt. Der Posten und die verbliebenen Bewohner müssen alleine zurechtkommen.
Besprechung Einen Roman in der grammatischen Gegenwartsform zu schreiben, spricht von Überzeugung. Der letzte, über den ich gestolpert bin, war Mustererkennung von William Gibson. Es war mir zuerst einfach fremd, wollte erzählerisch keine Träume wecken, roch kalt, irgendwie steril. Jetzt also Glukhovsky, der Posten in Gegenwartsform. Gewöhnungsbedürftig, aber…
stehen lassen und lesen. Lesen, wie der Autor seine Figuren in die Geschichte einbaut. Suchen, wer denn jetzt die Hauptfigur ist. Antwort: keine.
Je nach beurteilungsweise vielleicht der junge Jegor. Der hier trotz Ausnahmezustand es wagt, von einem späteren Leben zu träumen.
Aber er ist nicht wirklich die Hauptperson. Die Hauptperson, die die Handlung trägt, ist vielmehr eine unsichtbare ständige Bedrohung. Es sind Fragen wie: wer ist hier für diese Katastrophe überhaupt verantwortlich. Zu leicht zu sagen, ja, natürlich, Moskau. Oder noch viel mittelbarer und näher, der Fluss, die Brücke, der dicke Nebel darüber. Glukhovsky wirft seine Charaktere in beinah unlösbare Aufgaben. Und lässt in ihre Seele blicken:
Eine Mutter, die zum Schutz des Sohnes Karten liest und dann wieder Vergebung sucht.
Ein Kommandant, der immer zuerst Moskau um Rat fragt, bevor er entscheidet.
Ein Priester, der ein falsches Evangelium verbreitet, und eine Schar gewinnt.
Aberglaube, der sich an Schutzheilige wendet, je nach Bedarf.
Schnaps zur Linderung von Schmerzen und… natürlich ein Kosakenhauptmann, der von ewiger Liebe spricht.
Der Wert des Lebens in angespannter Lage.
In allen Belangen russische Weisen, eine Sache anzugehen.
In allen Ecken riecht es nach Konflikt. Ein Roman, deren Figuren es schaffen, immer wieder in einem anderen Licht zu erscheinen, wo Gesinnungen nicht klar ersichtlich sind. Russisches Roulet mit den Charakteren. Die Gegenwartsform ein direkter Förderer der Dramatik. Das Ende der Geschichte eine russische Implosion.
Fazit Glukhovsky schafft es, seine Figuren innerhalb der Geschichte variabel erscheinen zu lassen. Die Volksseele ein religiöser Mix gespickt mit undurchsichtigen Charaktern. Das, und die geheimnisvolle Bedrohung, macht die Geschichte lesenswert.
gedankenverbrecher
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