reise zu 67ern: blogunkels tribut an die oberstufenzeit
der fantaster: geschichten aus verschollenen welten
67 er jahrgang feiert, der klassentreff als freundlicher event
Kleider, Mucke oder Job: eine Identitätsfrage
Nach zehn Jahren Absenz zur letzten Zusammenkunft. Blogunkel folgt dem Ruf der Einladung zum Klassentreff, und fällt in tiefe Zerstreutheit über die Frage der Identität. Wer bin ich, wohin gehe ich, und vor allem, stimmt die innere Identität mit der äusseren überein? Klamotten müssen sortiert, Leibchen verworfen, und Hosen gut gemustert werden. Eigentlich ist vor dem Abflug nur eines klar, über die Form der Haartracht muss ich nicht mehr nachdenken. Steht ja nach einem halben Jahrhundert nicht mehr so viel zur Verfügung. Zudem ist da ein neuer Ton bemerkbar, und der ist grau. Hat mich eh nie überzeugt, die Vokuhila.
Die Fragen sind genügend geklärt. Trage mein Jeansgilet und die Jacke darunter mit dem rückengrossen Metalband Aufnäher. Auf dem Weg zum Buss ein paar meiner Nachbarn. Ja, natürlich, gehe zum Klassentreff, trinke aber nur Tee, oder Wasser. Muss ja schliesslich morgen wieder bei klarem Geist sein. Bedeutungsschwer hängt die Jeansjacke auf meinen Schultern. Das klare Bekenntnis zur Rockmusik in ländlich bäuerlicher Umgebung. Als ich weitergehe, fühle ich den Geist des Rock`n`Roll. Er klopft mir auf die Schulter. Endlich jemand, der nach so vielen Jahren den Spirit der Rockmusik noch lebt. Und im Buss weiss ich, jetzt ist es zu spät, wechseln geht nicht mehr. Bin ich da wiedermal zuweit gegangen mit der Identitätsfrage, und der äusseren Stützung derselben? Was berechtigt mich diese Jacke zu tragen? In den Ohren der Satz meiner trauten Angetrauten. „Du hast die Jacke mehr als 10 Jahre nicht mehr getragen. Wieso jetzt?“ Stimmt. Der Griff in die Innentasche bestätigt diese direkte Behauptung. Flyer, Zettel und kleines Buch sind da noch vorhanden. Ein bischen heruntergekommen, aber noch da. Interessiert schaue ich, was da alles zum Vorschein kommt. Eine richtige Rocker Jacke, nicht gewaschen, mehr als zehn Jahre alt und Innereien, die längst nicht mehr aktuell sind. Hauptsache ich bin geduscht und sauber, mit zeit- und altergemässem Haarschnitt. Ein Gegenstück zu allen andern meines Jahrgangs. Dessen bin ich sicher. Nicht Job, Karriere und Geld. Werte die sich in meiner Kleidung definieren. Ich bin nicht Materialist, ich bin Idealist. Ich arbeite um zu leben, nicht umgekehrt. Das will ich doch meinen und vertreten.
Dann das Fest, die Zusammenkunft. Die Jacke gibt mir ein gutes Gefühl, einen gesonderten Status. Aber eigentlich ist die Atmosphäre ganz entspannt. Ein freundliches Stelldichein, ein unkompliziertes Fest von fünzig Jahre frischen Altgewordenen. Mitten in der uniformellen Gleichheit ich, der ich dem rock`n`roll-werte-fressenden Altern den Kampf angesagt habe. Unter ehemaligen Oberstufenschülern, denen dies alles ziemlich egal ist, und die einfach das gemütliche Austauschen mit den Gschpänli von früher geniessen. Ausser einigen, die immer schon verstanden hatten, Rock`n`Roll ist King.
Dann sind da noch die Veränderungen, die das Alter wirklich mitbringt. Einige sehen aus wie früher, das gleiche verschmitzte Lächeln. Andere sehen nun aber wirklich älter aus. Man sucht in vielen das Gesicht, das man aus der Jugend kennt. Wieder anderen hat das Altern gut getan. Aus dem Gesicht sprechen Weisheit, Lebenserfahrung. Solche Menschen brauchen dann natürlich nicht den Weg über eine Jacke zu gehen. Das Alter hat ihnen gut getan und man sieht es in ihrem Gesicht. Es spricht Bände. Mein Gesicht steht da natürlich nicht zur Debatte. Habe ich doch deutlich durch mein Outfit Stellung bezogen. Seht her, was ich in der Jugend gewollt, geträumt und geplant, ist geworden. Denn das kann ich rückblickend sagen, es ist nichts geworden, was ich als junger Mensch auch nicht geträumt habe. Mit umgekehrten Worten, alles was ich damals an Überzeugungen gelebt habe, ist heute wahr. Zufrieden ohne grosse Ambitionen auf Job, Karriere und den grossen Haufen Geld. Ein Mensch, ein geselliger Metallnarr und alles in allem ein Individuum, das aus Überzeugung einen andern Weg gewählt hat. Ich weine nicht, ich lebe, und bin zufrieden mit meinem Wege.
jh
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